Tipps & Tricks

Mit dem Rollstuhl durch Wien

(Werbung) Geht es um Digitalisierung, Open-Data oder Barrierefreiheit, kommt Österreich eine Vorbildrolle zu. Gerade haben meine Frau und ich vier Tage in Wien verbracht und waren begeistert. Ein Erfahrungsbericht in Sachen Barrierefreiheit mit hilfreichen Links.

(Alle Fotos: Kathrin Schiersner)

tl;dr

Barrierefreiheit wird in Wien ernst genommen. Toiletten, ÖPNV, Parken, Konditionen: Wichtig ist, dass Sie Ihren Behindertenausweis, den Euroschlüssel und den Sonderparkausweis dabei haben. Dann kommt Ihnen Wien sehr entgegen.

Inhalt

Anreise mit dem Auto

Die Maut für Österreich und gegebenenfalls Tschechien kann online entrichtet werden; Vignetten muss man sich nicht mehr an die Windschutzscheibe kleben.

Parkplätze sind auch in Wien rar und es gibt eine Parkraumbewirtschaftung. Mit Ihrem Sonderparkausweis darf Ihr Auto in diesen Bereichen zeitlich unbeschränkt und gebührenfrei parken: Auf Behindertenparkplätzen (dazu zählen auch die Anwohner-Parkplätze) und in Kurzparkzonen.

Fortbewegung in der Stadt

Wenn Sie die offizielle Wien-mobil-App installieren und ein Konto einrichten, können Sie die beste Route zu einem Ziel suchen, sich über bestehende Linien und Abfahrtszeiten informieren. Zudem können Sie damit online Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kaufen, die in der App abgelegt werden. Das Ticket gilt für Bus, Tram, U-Bahn und S-Bahn. Der Behindertenausweis berechtigt je nach Grad der Behinderung (GdB) und Zusatzmerkmalen zur kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson.

Eine bunte Niederflur-Straßenbahn mit geöffneter Tür.

Barrierefreiheit ist in Wien an vielen Stellen gut erlebbar: So sind in S-Bahnen alle Türen mit automatisch ausfahrenden Rampen ausgestattet. Bei U-Bahnen jeweils die erste und die letzte Tür. Zumindest bei Niederflur-Tram-Bahnen kann an der ersten Tür eine Rampe durch den Zugführer ausgeklappt werden. Das dauert nur wenige Sekunden und klappte immer problemlos.

Die Wien-Mobil-App und die Anzeigen an den Haltestellen zeigen barrierefreie Fahrzeuge mit einem Punkt oder Unterstrich (U-Bahn) unter der Abfahrtszeit an. Die allermeisten Fahrzeuge waren so ausgezeichnet.

Der Zugang zu den Bahnsteigen der U-Bahnhöfe ist in der Regel mit Fahrstühlen möglich. Nur beim recht großen „Bahnhof Wien Mitte“ (s. u.) waren diese teilweise schwer zu finden oder überwandten nur eine Ebene, sodass man „um die Ecke“ einen weiteren Fahrstuhl nutzen musste.

Längliches Gehäuse am Mast einer Fußgängerampel mit der Aufschrift 'anmeldung mit eurokey' in Braille.

Der Euroschlüssel – auch Euro-Key – lohnt sich in Wien ganz besonders, da Sie damit viele Behinderten-Toiletten (Standorte, U-Bahnhöfe mit barrierefreien Toiletten) öffnen und sich an Fußgängerampeln auch Grünphasen aufrufen können.

Wien hat vor allem in der Innenstadt (1. Bezirk) aufgrund der historischen Bausubstanz immer wieder Kopfsteinpflaster. Dieses ist aber gut verfugt und daher passierbar. Die Gehwege sind asphaltiert, allerdings manchmal schmal. Die Bordsteine sind recht hoch, doch an Kreuzungen und Zebrastreifen abgesenkt. Bei Toreinfahrten sind die Bordsteine häufig nicht abgesenkt sondern mit einer steilen Rampe aus Asphalt versehen.

Das Geländeprofil der Innenstadt weist zumeist nur geringe Steigungen auf oder lang gestreckte. Ausnahmen im Belvedere und in Schönbrunn werden weiter unten beschrieben.

Hotel Magdas

Wir haben uns für das Magdas Hotel in der Ungargasse 38 im 3. Bezirk entschieden. Es liegt günstig und nur wenige Minuten von der U-Bahn-Station Rochusgasse (U3) oder dem Bahnhof Wien Mitte (Landstraße). Der ist ein Knotenpunkt (U3, U4, Tram O) und Station für den Shuttlezug City Airport Train (CAT) zum Flughafen.

Barrierefreie Toilette im Untergeschoss des Magdas-Hotel.

Das Magdas verfügt über zwei barrierefreie Zimmer und hat im Untergeschoß und in der 6. Etage jeweils eine geräumige separate barrierefreie Toilette. Damit können, je nach Einschränkung, auch andere Zimmer für einen Aufenthalt geeignet sein.

Die Zimmer sind modern und wohnlich im Nierentisch-Design. Das Magdas hat das alte Konzept wiederbelebt, bei dem sich das Waschbecken (unterfahrbar) und der Spiegel (leider nicht kippbar) im Zimmer befinden.

Wer sich im Umfeld des Hotels treiben lässt, kann viel Sehenswertes entdecken. Wir sind so zum Unteren Belvedere gebummelt.

Unteres und Oberes Belvedere

Lassen Sie sich nicht verwirren: Auf dem Stadtplan liegt das „Untere“ Belvedere nördlich vom „Oberen“, doch das Gelände ist hier eben deutlich tiefer.

Die Wege des Schlossparks (und das gilt auch für Schönbrunn) sind mit fein-granularem Kies bedeckt. Das kostet natürlich Kraft. Die Deckschicht ist aber nicht so dick, dass sie ein Fortbewegen mit dem Rollstuhl zu sehr erschwert.

Die inneren Teile des oberen Parks sind durch armbreite Gräben von den äußeren getrennt. Hier soll überschüssiges Regenwasser ablaufen. Zum Glück gibt es mehrere Metallrampen, mit denen ein Rollstuhl die Gräben überwinden kann.

Warnung zum Schlosspark Belvedere

„Der Durchgang des Parks zwischen dem Oberen und Unteren Belvedere ist nicht barrierefrei.“ (Belvedere barrierefrei)

Das liegt daran, dass der Park kurz hinter dem Unteren Belvedere steil ansteigt. So steil, dass hier eine Steinrampe und links und rechts davon eine Treppe in den oberen Teil des Parks führen. Die Rampe ist genauso steil wie die Treppen und steigt auf einer Länge von 15 Metern um 4 Meter an. (Werte geschätzt mit Hilfe des Geodatenviewer der Stadtvermessung Wien). Das ist für einen Rollstuhl zu gefährlich! Sie erreichen den jeweils anderen Teil des Parks über die Straßen außerhalb des Parks.


Eine lange steile Steinrampe führt zwischen zwei Treppen in den oberen Teil des Schlossparks Belvedere.

Schönbrunn: Tiergarten, Gloriette, Park und Schloss

Wir haben Schönbrunn in der oben genannten Reihenfolge erkundet und mit dem Tiergarten begonnen.

ÖPNV: Von der „Landstraße“ mit der U4 Richtung „Hüttelsdorf“ bis zur Haltestelle „Hietzing“. Ja, das ist eine Haltestelle hinter „Schönbrunn“, verkürzt Ihren Weg zum Tiergarten allerdings deutlich.

Tiergarten

Wenn Sie den Park durch das Hietzinger Tor betreten, kommen Sie vor dem Eingang zum Tierpark noch am Wüstenhaus und am Großen Palmenhaus vorbei. Beide lassen sich auch problemlos mit dem Rollstuhl erkunden. Sagen Sie dort an der Kasse, dass Sie noch in den Tiergarten (und das Palmenhaus möchten) und fragen Sie nach Ticket-Optionen.

Der Behindertenausweis berechtigt je nach Grad der Behinderung (GdB) und Zusatzmerkmalen zu einer Ermäßigung im Tiergarten:

  • Erwachsene mit einem GdB ab 50 erhalten eine Ermäßigung,
  • Kinder/Jugendliche mit Behinderung erhalten bis zum 19. Geburtstag freien Eintritt, eine Begleitperson erhält ein ermäßigtes Ticket,
  • Menschen mit einem GdB von 100 und eine Begleitperson erhalten freien Eintritt.

Der Tiergarten ist weitgehend barrierefrei, flach und asphaltiert. Behindertentoiletten gibt es in der ORANG.erie, im Elefantenhaus, im Regenwaldhaus und im Tirolerhof. (Häufige Fragen)

Allerdings liegt der historische Teil des Tiergartens teilweise an einem Hang, der sehr steil und für Rollstuhlfahrer eher nicht geeignet ist. Wer nach oben zum Ausgang „Tirolergarten“ möchte, nutzt den besser geeigneten Baumkronenpfad.

Tipp: Sie möchten den Tierpark verlassen und am selben Tag noch einmal betreten? Am Ausgang gibt es Stempel wie in der Disco.

Gloriette

Vom oberen Ausgang des Tierparks führt ein breiter Weg durch den Wald zur Gloriette. Von hier aus haben Sie einen tollen Blich hinab aufs Schloss. In der Gloriette können Sie Kaffee (Melange) und Kuchen genießen. Der Eingang für Rollstuhlfahrer ist auf der dem Schloss abgewandten Seite möglich. In der Mitte befindet sich eine Tür, an die Sie klopfen müssen.

Der Abstieg zum Park und Schloss ist recht steil.

Alternative: Panoramabahn

Die Panoramabahn ist eine Alternative, wenn Ihnen der Auf- und Abstieg zu beschwerlich erscheint. Sie können an jeder Station aus- und einsteigen (Hop-on, hop-off) und die Bahn kann einen Rollstuhl transportieren.

Schloss Schönbrunn

Sollten Sie nicht den oben beschriebenen Weg über den Tiergarten nutzen, dann wäre es dieser:

ÖPNV: Von der „Landstraße“ mit der U4 Richtung „Hüttelsdorf“ bis zur Haltestelle „Schönbrunn“. Wenn Sie den Tierpark zuerst besuchen möchten, steigen Sie eine Station später aus.

Das Schloss Schönbrunn hat zwei Fahrstühle, mit denen Rollstuhlfahrer bei einer Tour der Zugang zum oberen Bereich ermöglicht wird.

Im Schloss Schönbrunn werden Audioguide-Geräte der Firma Tonwelt eingesetzt. Sie sind schmal und ihre Zahlentasten haben auch Braille-Zeichen. Ihr eingebauter Lautsprecher ist für Hörgeräte optimiert (HAC). Zudem verfügen die Audioguides über einen Airline-Anschluss; hier lassen sich bis zu zwei Stereo-Kopfhörer mit 3,5 mm Klinkenstecker einstöpseln.

Tipp Audioguide: Im Schloss erhalten Sie nur den Audoguide. Wenn Sie Hände frei haben möchten, müssen Sie sich eigene Kopfhörer mitbringen.

Zentralfriedhof, Grab von Hedy Lamarr

ÖPNV: Mit der U4 bis Endstation „Simmering“ und dann in die Tram 11 oder 71 Richtung „Kaiserebersdorf, Zinnergasse“ bis „Zentralfriedhof, 2. Tor“.

Skulptur und Gedenktafel auf dem Grab von Hedy Lamarr. Details im Text.Der Wiener Zentralfriedhof ist eben, mit gut befahrbaren Wegen. Er beherbergt eine große Anzahl Ehrengräber, die im offiziellen Verzeichnis der Ehrengräber (PDF) aufgeführt sind. Viele dieser Gräber liegen nahe bei einander, so dass keine langen Wege zu nehmen sind.

Und da das hier ein IT-Blog ist, verweisen wir insbesondere auf das Grab von Hedy Lamarr (Gruppe 33G).

Das Grab von Hedy Lamarr schmückt eine luftige mannshohe Skulptur aus senkrechten verchromten Stäben, in die vielfach Kugeln eingearbeitet sind. Aus einem bestimmten Winkel betrachtet, ergeben sie ein Gesicht.

Metallplatte etwa DinA4 mit einem aus Punkten angedeutetem Gesicht und dem nebenstehenden Text.

„Films have a certain place in a certain time period. Technlogy is forever.“

Hedy Lamarr
Actress. Inventor.

9.11.1914 Vienna
19.1.2000 U.S.A.

Im Zweifel fragen Sie

Wenn Sie nicht weiter kommen, fragen Sie einfach: Wir haben die Wiener immer als höflich und hilfsbereit erlebt. Das gilt für Mitreisende in der U-Bahn genauso wie Trambahn-Fahrer, Kaufhaus-Security und Polizei.